Zawischas Kritik an Küppers' Farbenlehre

Prof. Dr. Dietrich Zawischa, geht im Internet unter der Überschrift Kritik an Küppers' Farbenlehre speziell auf meine Theorie ein und kritisiert sie aus der Perspektive des Physikers und des Farbmetrikers.

Es gilt weltweit als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, dass es in der Netzhaut des menschlichen Auges drei Zapfentypen gibt, die für verschiedene Spektralbereiche empfindlich sind. Von dieser Grundtatsache gehe ich aus. Die von außen kommende elektromagnetische Energie des Farbreizes wird im Sehorgan in organeigene Energieimpulse umgesetzt. Auf diese organeigenen Energieimpulse der drei Zapfentypen beziehe ich mich. Ich nenne sie Empfindungsquanten oder kurz Quanten. Dabei ist es für meine Theorie prinzipielle ohne Belang, wie die Absorptionskurven der Zapfenflüssigkeiten tatsächlich aussehen, wo ihre Maxima liegen und welche Überlappungsbereiche es zwischen ihnen gibt.

Das erste farbmetrische System war das CIE-System von 1931. Eine internationale Gruppe von Lichttechnikern (CIE = Commission internationale d`èclairage, also übersetzt: Interntionale Beleuchtungskommission) hatte sich zusammengetan, um ein Ordnungssystem der Farben zu schaffen. Es handelte sich hier um Strahlungsspezialisten und Farbmetriker, also Physiker. Ihr Problem bestand darin, dass es in der Physik gar keine Farbe gibt. Farbe ist immer und ausschließlich die Sinnesempfindung eines Betrachters, also ein Gefühl, ein physiologischer Effekt. Ich vermute, dass kein Mitglied dieser Gruppe praktischen Erfahrungen im Umgang mit Farben hatte, geschweige denn irgendwelche Erfahrungen im Farbenmischen.

Nach der Formel X + Y + Z = 1 wurden im CIE-System alle 'Farbarten' auf einer Fläche dargestellt. Auf einem Kurvenzug wurden die monochromatischen Spektralfarben angeordnet. Der Anfang und das Ende dieses Kurvenzuges wurde durch eine Gerade verbunden, die man 'Purpurgerade' nannte. Hier hatte man es also mit einer 'wissenschaftlichen' Ordnung zu tun, bei der Äpfel und Birnen gleichberechtigt in einem zweidimensionalen System angeordnet waren. Die Äpfel waren die monochromatischen Spektralfarben auf dem Kurvenzug. Die Birnen waren Mischungen aus ihnen auf der Purpurgeraden.

Unter diese zweidimensionale Ordnung, die man wegen ihres Aussehens 'Schuhsohle' nannte, wurde in einem entsprechenden Abstand das Schwarz angeordnet. Es entstand ein unsymmetrischer Farbenraum, der die Form einer auf einer Seite flach gedrückten Eistüte hatte. Die unbunte Grundfarbe Weiß lag in der Mitte dieser Schuhsohle. Die Unbuntachse verlief von hier zum Schwarzpunkt an der unteren Spitze der Tüte. Meiner Ansicht nach war dieser Farbenraum eine Konstruktion mit gigantischen Verzerrungen. Mir erschien das wie die Vergewaltigung einer sinnvollen Farbenordnung.

Die Problematik dieses CIE-Systems von 1931 wurde von den Farbmetrikern erkannt und führte über mehrere Zwischenstufen und Variationen Ende des vergangenen Jahrhunderts zu der Modifikation CIE-Lab, die sich heute weltweit durchgesetzt hat. Jetzt geht man von der Vorstellung aus, dass das Sehorgan ganz anders funktioniert. Jetzt glaubt man an die so genannte Gegenfarbentheorie. Zwar ist man sich nach wie vor darüber einig, dass es in der Netzhaut des menschlichen Auges drei verschieden spektral empfindliche Zapfentypen gibt. Aber man geht von der Hypothese aus, dass die Erregungspotentiale der Zapfentypen in die vier bunten Farbempfindungen Gelb, Rot, Blau und Grün durch die Synapsen umgerechnet werden. Jetzt glaubt man, es gebe drei Empfindungsskalen, eine, die von Weiß zu Schwarz führt, eine, die von Rot zu Grün führt und eine, die von Blau zu Gelb führt. Nach diesen Prämissen baut sich der CIE-Lab-Farbenraum auf.

Auch diesen Farbenraum halte ich für eine Konstruktion, die nichts zu tun hat mit dem tatsächlichen Funktionsprinzip des menschlichen Sehorgans. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Natur ein Organ mit einer derart absurden Funktion entstehen konnte. Denn bei dieser Hypothese gäbe es im Sehorgan drei konkurrierende Möglichkeiten, Unbuntempfindungen entstehen zu lassen, nämlich sowohl auf der Skala zwischen Weiß und Schwarz, als auch auf der Skala zwischen Rot und Grün und auf der Skala zwischen Blau und Gelb. Weder nach dem Gesetz der Additiven Mischung noch nach dem der Subtraktiven Mischung könnte man die Farben des CIE-Lab-Farbenraumes mit vier bunten Grundfarben ausmischen.

Und dann erscheint es mir als völlig absurd, dass es im Sehorgan bei der Rezeption, also bei der Übernahme des Farbreizes durch die Zapfen, ein trichromatisches System gibt und ebenfalls bei der Ausgabe, also bei der resultierenden Farbempfindung, was durch die Farbmischgesetze zweifelsfrei bewiesen ist. Und zwischen diesen beiden, zwischen dem Beginn der Prozesskette und deren Ende sollte eine Umrechnung stattfinden wie sie die Gegenfarbentheorie postuliert? Wozu sollte das geschehen? Das ist für mich unvorstellbar.

Die Farbmetriker bezeichnen sich selber gerne als die Farbwissenschaftler. Die Farbmetrik ist aber nur ein sehr kleiner Teil der Farbwissenschaft, der Farbenlehre, nämlich derjenige, der sich mit dem physikalischen Bereich, also mit der spektralen Zusammensetzung des Farbreizes und den daraus zu ziehenden Konsequenzen befasst.

Der CIE-Lab-Farbenraum ist eine primitive Ordnung der Farbnuancen. Ich vergleiche ihn mit einem Hochregallager, in dem jede Farbnuance ihren Platz hat. Jede Farbnuance ist durch ihre farbmetrischen Werte bestimmt. Man kann jede Farbnuance präzise ansteuern, wenn man die Regalnummer, die Fachhöhe und den Regalplatz angibt. Also kann man damit in jeder beliebigen Weise mathematisch umgehen. Und tatsächlich ist dieses modifizierte CIE-System zur Grundlage all dieser Prozesse geworden, über deren technisch bewundernswertes Funktionieren man nur staunen kann: Buntfernsehen, Internet, Digitalfotografie und Scannertechnik. Aber mit einer didaktisch brauchbaren Farbenlehre, die das Funktionsprinzip des Sehens und die Farbmischgesetze erklärt, hat das nichts zu tun.

Die Absurdität der Farbmetrik erkennt man schon an der Behauptung, man könne 16,7 Millionen Farbnuancen darstellen. Von einer anderen Farbe kann man aber nur dann sprechen, wenn es einen sichtbaren Unterschied zwischen zwei Farbnuancen gibt. Ein farbsensibler Mensch kann aber nur etwa 100.000 Farbnuancen unterscheiden, auf keinen Fall mehr als eine Million.

Es gibt viele Beispiele dafür, dass sich absurde Systeme weltweit durchsetzten, obgleich es wesentlich bessere gab. Denken wir doch nur mal an die amerikanischen Maßeinheiten: Fahrenheit, Gallone, Barrel, Unze, Zoll oder Meile. Es hat sich gezeigt, dass man damit die komplizierteste Technik beherrschen kann, sogar die Raumfahrt, einschließlich des Fluges zum Mond. Für mich gehört die Farbmetrik zu diesen unbegreiflichen Beispielen.

Zawischa unterstellt, ich hätte die Absorptionskurven von Sehpigmenten, die George Wald und Paul K. Brown (Rainer Röhler, Systematische Farbgestaltung, Stuttgart 1969) veröffentlichten, wissentlich falsch als solche von menschlichen Sehpigmenten dargestellt, obgleich ich gewusst hätte, dass es sich um Sehpigmente von Goldfischen handelte. Bereits 1992 habe ich in meinem Buch Schule der Farben (Köln 1992) diesen Irrtum aufgeklärt. Dort habe ich die Absorptionskurven von J.A. Dartnall und I.K. Browmaker übernommen (Hunan visual pigments: micro-spektrometric results from eyes of seven persons. London 1983), bei denen die Maxima bei 420 nm für Violettblau, bei 530 für Grün und bei 560 für Orangerot liegen. Warum bleibt in Zawischas Kritik das Ergebnis der Überlegungen von Ralph M: Evans (Introduction of Color. John Wiley & Sons inc. London 1948, Seite 228) unerwähnt? Der stellt sich Empfindungsmaxima vor, die weitgehend mit denjenigen übereinstimmen, von denen ich ausgehe. Ausdrücklich habe ich immer darauf hingewiesen, dass die von mir gezeigten Absorptionskurven aus didaktischen Gründen schematisch vereinfacht dargestellt sind.

Im April 1969 nahm ich an einem Seminar über Farbmetrik teil, das von Professor Dr. Manfred Richter durchgeführt wurde. Anschließend studierte ich dessen Buch 'Einführung in die Farbmetrik' (Sammlung Göschen, Walter de Gruyter, Berlin 1976, Seite 66) und fand dort folgende Aussage: Man könnte sie [die Spektralwertkurven] als spektrale Empfindlichkeitskurven des jeweiligen Auges deuten, wenn sie nicht in ihrer Form von der willkürlichen Wahl der Primärvalenzen abhingen und wenn sie nicht die unvermeidlichen negativen Äste zeigten.

Ich folgere daraus, dass es keine Grundlagenforschung über das tatsächliche Aussehen der Grundfarben gibt. Deshalb habe ich eigene Forschungen betrieben und bin zum Ergebnis gekommen, dass die Maxima der Farbempfindungen nicht dort liegen können, wo sie von der Farbmetrik vermutet werden. Vielmehr gelangte ich zu der Ansicht, dass sie für Violettblau (Blau) bei 448 nm, für Grün bei 518 nm und für Orangerot (Rot) bei 617 nm liegen.

Aus dem Vorhandensein der drei Empfindungskräfte, die den drei Zapfentypen zugeordnet sind, ziehe ich Schlussfolgerungen, die allerdings anders aussehen, als in der orthodoxen Lehre. Denn es ergibt sich aus den drei Empfindungskräften, die ich Urfarben nenne, die simple und dennoch überraschende Konsequenz, dass das Sehorgan acht extreme Farbempfindungen hervorbringen kann. Diese acht Extremempfindungen bezeichne ich als die acht Grundfarben. Keine von ihnen kann bei deckenden Farbmitteln durch Mischung entstehen. Das wird durch das von mir entdeckte und formulierte Gesetz der Integrierten Farbmischung, das für deckende Farbmittel gilt, beschrieben und bewiesen. Und es wird bewiesen durch das Mischverhalten von den acht deckenden Malfarben, die ich als Grundfarbensatz zusammen mit der Künstlerfarbenfabrik Schmincke entwickelte und die seit 1981 mit großem Erfolg im Farbenhandel angeboten werden.

Die Ordnung der Farben in meinen geometrischen Darstellungen ist immer eine quantitative Ordnung. Sie bezieht sich immer auf Mengenteile bzw. auf Empfindungsquanten. Eine quantitative Ordnung (wie die meine) und eine qualitative (mit empfindungsgemäßer gleicher Abständigkeit der Farbnuancen zueinander) schließen sich gegenseitig aus. Die Formel X + Y + Z = 1, die zum Spektralfarbenzug führte, ist für mich deshalb nicht optimal, weil hier der Differenzwert unbeachtet bleibt, der im Sehorgan immer dann entsteht, wenn das mögliche Empfindungspotential der einzelnen Zapfentypen nur teilweise in Anspruch genommen ist. Dieser Differenzwert ist eine Teilmenge der unbunten Grundfarbe Schwarz.

Unter der Überschrift Farbmaßzahlen und Tonwertzunahme zeigt Zawischa einen Buntartschnitt durch mein Rhomboeder, wie er ihn sich vorstellt und wie er ihn elektronisch auf dem Bildschirm aufgebaut hat. Dort sieht man einen riesigen empfindungsgemäßen Abstand von der ersten Dunkelstufe zur nächsten. Je heller die Tonwertstufen in dieser Abbildung werden, desto geringer wird ihr empfindungsgemäße Abstand. Dazu sagt er mir, er habe die Stufen mit dem Farbkreisel, also nach der von mir so genannten Speedmischung ermittelt. Diese Darstellung ist aber total falsch. Zawischa muss doch wissen, dass die Hellempfindung im menschlichen Sehorgan logarithmisch funktioniert. Das bedeutet, dass doppelte Lichtintensität dem Betrachter als eine Tonstufe heller erscheint. Es ist also genau umgekehrt wie in Zawischas Darstellung. In den Dunkelstufen des Rhomboeders gibt es relativ geringe empfindungsgemäße Unterschiede und in den hellen entsprechend große. Das ist die Konsequenz der zugrunde liegenden quantitativen Ordnung. Eine empfindungsgemäße Gleichabständigkeit kann es logischerweise im Rhomboeder nicht geben.

Zawischa betrachtet Farbe aus der Perspektive des Professors für Physik, aus der Perspektive des Strahlungstechnikers und des Farbmetrikers. Meine Perspektive ist die des Experten für Bildreproduktion, für Mehrfarbendruck, für Mischprozesse von Farbmitteln und für didaktische Farbenlehre.

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